Die Kirche in Kratzeburg

Zur Geschichte der Kirche

Aus der Zeit des Mittelalters sind keine Nachweise über eine Kirche in Kratzeburg überliefert. In der Reformationszeit (1517–1648) war Kratzeburg allerdings bereits ein selbständiger Pfarrort. 1579 wird ein Pastor urkundlich erwähnt. Möglicherweise war eine erste Kirche in Kratzeburg bereits vor dem 16. Jahrhundert vorhanden.
Der Ort selbst wurde 1256 erstmals urkundlich erwähnt, als Fürst Nikolaus I. von Werle dem Kloster Dargun das Dorf Dalmestorf (Dalmsdorf) und den halben See Cobolc (Käbelick) verlieh, und das Kloster zusätzlich u.a. Werdhere (Kratzeburg), Cechentin (Techentin), Blankenförde und Granzin von dem Fürsten und dessen Vasallen erwarb.
Im Jahre 1359 kamen die fünf „Heidedörfer“ (Kratzeburg, Dalmsdorf, Granzin, Blankenförde, Techentin) zur Komthurei (Verwaltungsbezirk) Mirow. Techentin lag wohl am gleichnamigen See einige Kilometer südlich von Langhagen und fiel später wüst.
Kratzeburg wurde vom Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) nicht verschont. 1638 starb neben vielen anderen Einwohnern des Dorfes der damalige Pastor Tollius an der Pest, zahlreiche bäuerlich bewirtschaftete Ländereien fielen wüst, der Verfall der Kirche begann. 1640 wurde der dreiteilige Schnitzaltar der Kirche Kratzeburg, der aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammte, in die Kirche Schillersdorf gebracht, wohl, um ihn zu retten.
Erst 1662 kam wieder ein Pfarrer nach Kratzeburg. Und bereits um 1700 häuften sich die Klagen wegen des baufälligen Zustandes der alten Kirche, eine Kollekte brachte nur die Mittel für Reparaturen auf.
1786 wurde schließlich auf den Grundmauern der alten Kirche eine neue gebaut. Es handelt sich um einen rechteckigen Eichen-Fachwerkbau mit einer Grundfläche von 8,5 x 13,6 Metern. Der Eingang befindet sich an der südlichen Längsseite. Das Fachwerk zeigt, durch die Fenster geteilt an zwei Ständern, die Figur des „fränkischen Mannes“. Ein niedriger Turm mit einem barock geschwungenen Helmdach „wächst über rechteckiger Grundform aus dem Ziegeldach hervor. Dies ist im Osten abgewalmt“ (Krüger 1921: 71).
Ein Stein rechts vor dem Eingang trägt das Datum 24. April 1786.
Der Kanzelaltar ist im sogenannten Zopfstil gestaltet und wurde von dem Mirower Tischlermeister Rabensdorf gefertigt, das tragbare hölzerne Lesepult mit einem Wagenrad als Fuß wurde von einem Ehepaar Witsch 1808 gestiftet.
Die Kirche schmücken im Mittelschrein Gemälde (Kreuzigungsgruppe und Heilige) sowie Szenen aus der Passionsgeschichte und einige weibliche Heiligenfiguren.
Mit dem Neubau der Kirche war die Schließung des alten Friedhofs an der Kirche im Folgejahr 1877 verbunden. In diesem Jahr wurde an der Dorfstraße in Richtung Neustrelitz ein neuer Friedhof eingeweiht.
1851 stiftete Caspar Hesse eine Orgel, die von dem Orgelbauer Holland aus Schmiedefeld in Thüringen gebaut wurde.
Der Schnitzaltar aus der vorherigen Kirche kam 1935 aus Schillersdorf wieder zurück und wurde an der Nordwand aufgehängt. Hintergrund dafür war, dass Schillersdorf – wie andere Dörfer und ihre Gemarkungen – in Vorbereitung auf den vom faschistischen Deutschland angezettelten Eroberungs- und Vernichtungskrieg als Bombenabwurfgebiet der „Erprobungsstelle der Deutschen Luftwaffe“ in Rechlin diente. Die Dörfer wurden zuvor ausgesiedelt und erst nach dem 2. Weltkrieg wieder besiedelt.
Die in der Kirche vorhandenen Bronze-Glocken aus den Jahren 1692 und 1786 wurden 1918 bzw. 1944 zu Rüstungszwecken abgeholt. Nach 1945 erhielt die Kirche wieder eine Bronzeglocke aus dem noch vorhandenen Bestand der allgemein abgelieferten und nicht mehr eingeschmolzenen Glocken zurück. Die Glocke wurde 1933 von der schwedischen Glockengießerei M & O Ohlsson gegossen, die von 1878 bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts einen Zweigbetrieb in Lübeck unterhielt. Von den Glocken dieser Firma sind in Deutschland wegen der Zweckentfremdung für Kriegszwecke nur noch wenige vorhanden.
1992 wurde in das alte Orgelgehäuse von Orgelbaumeister Nußbücker aus Plau ein neues Instrument eingebaut.

Übrigens:

Am Ständerwerk im Turm der Kirche finden sich interessante Emailleschilder, die irgendwer irgendwann dort angenagelt hat. Sie erzählen ein wenig von der Geschichte der Kirchgemeinde und auch von der Gesellschaftsordnung, die einst herrschte. In der Mitte heißt es: „Stand der Kratzeburger Eigenthümer“ und unten: „Kirchensitz für Dalmsdorfer Bauerfrauen“.
Es gab noch bis weit ins 19. Jahrhundert eine Sitzordnung, die auf Geburtsstand und Privilegien aufbaute. Es war ein großer Unterschied, ob man vorne oder hinten, oben oder unten sitzen durfte und die Gemeindemitglieder nahmen ihre Kirchenstühle sehr wichtig. Küster, Gemeindeleitung, Guts- oder Hofeigentümer und -pächter oder Handwerker nahmen in den vorderen Reihen Platz, wobei Männer und Frauen getrennt saßen.
„Das niedere Volk“ musste mit den hinteren Plätzen oder der Empore Vorlieb nehmen und mancherorts sogar Miete für ihre Sitze zahlen. „Obgleich Kirchenstuhlpläne immer nur Momentaufnahmen waren und die soziale Ordnung selten dauerhaft festschreiben konnten, ist die Ungleichheit nach Stand und Geburt doch grundlegend für sie gewesen. Das große Wort des Apostels Paulus, dass es vor Gott kein Ansehen der Person gebe, ist vom 16. bis weit ins 19. Jahrhundert bei der kirchlichen Sitzordnung wenig bis gar nicht zur Geltung gekommen. Man kann das der Kirche zum Vorwurf machen, sollte aber die zeitgebundenen Möglichkeiten der Kirchenunterhaltung beachten und auch jene sozialen Schichtungen bedenken, die heute unser Leben bestimmen“ (Wiese 2015).

Zur eigenständigen ev.-luth. Kirchengemeinde Kratzeburg gehören die Orte bzw. Ortsteile Dalmsdorf, Dambeck, Granzin (Kirche), Granziner Mühle, Henningsdorf, Kratzeburg (Kirche), Krienke, Langhagen und Pieversdorf. Die Kirchengemeinde Kratzeburg ist seit 2010 mit der Kirchgemeinde Neustrelitz-Kiefernheide verbunden.

Quellen
Wiese, R. 2011: Du bist, wo du in der Kirche sitzt. http://www.kulturwerte-mv.de, Aufruf am 28.2.2015.
Gemeinde Kratzeburg (Hg.) 2006: 750 Jahre Kratzeburg 1256-2006. Neubrandenburg.
Krüger, G. (Bearb.) 1921: Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz. I. Band: Das Land Stargard. I. Abteilung. Neubrandenburg: 68–73.
www.kirche-mv.de

Fotos: H. Behrens