Die Lloyd-Bahn

Im Jahr 1884 begannen von Neustrelitz und Waren aus die Arbeiten für die Lloyd-Bahn. Die Erweiterung der Strecke von Berlin nach Rostock und Warnemünde sollte v. a. dazu dienen, eine schnelle Verbindung zwischen der Reichshauptstadt und der Ostseeküste zu schaffen, mit Anschluss an die Schifffahrt zur Verbesserung des Personen- und Warenverkehrs zwischen Deutschland und Skandinavien, insbes. Dänemark.
Bis zur Inbetriebnahme der neuen Bahnstrecke dauerte eine Fahrt von Berlin nach Kopenhagen über Hamburg oder Stralsund 17 bzw. 20 Stunden. Ziel war es, die Reisezeit auf 12 Stunden oder weniger zu verkürzen. Aus dem alten Fahrplan von 1886 geht hervor, dass der Morgenzug von Berlin (Abfahrt 8.00 Uhr) tatsächlich kaum länger unterwegs war (Ankunft Kopenhagen 20.20 Uhr).

Nach einigen gescheiterten Versuchen im Vorfeld der Arbeiten an der geplanten Bahnstrecke, finanzstarke Kapitalgeber zu finden und den Bau unter Federführung einer Wirtschaftsgesellschaft in Angriff zu nehmen, wurde im Jahr 1883 die ausführende Gesellschaft unter dem Namen „Deutsch-Nordische Lloyd, Eisenbahn- und Dampfschiffs-Aktien-Gesellschaft“ gegründet, kurz „Lloyd-Bahn“ genannt.
Heute würde man die Unternehmung wohl als „Joint Venture“ bezeichnen: Bauausführung und Finanzierung wurden von einer belgischen Gesellschaft übernommen – Belgien schuf als erstes Land in Kontinentaleuropa ein zusammenhängendes Eisenbahnnetz -, die Großherzogtümer Mecklenburg-Strelitz und Mecklenburg-Schwerin beteiligten sich an den Kosten und stellten Land und Konzessionen zur Verfügung. Als Frist für die Fertigstellung waren 5 Jahre festgelegt, tatsächlich fand bereits Ende Juni 1886 in Rostock eine große Eröffnungszeremonie mit geladenen „hohen“ Gästen statt, inklusive Festmahl, Konzert und Feuerwerk. Die Bauarbeiten, z. B. an den Gebäuden der Stationen, waren zu diesem Zeitpunkt aber noch längst nicht abgeschlossen.

Aus Kostengründen wurde die Eisenbahnstrecke entgegen ursprünglichen Absichten nur eingleisig geplant. Als Stationen gab es die repräsentativer errichteten Bahnhöfe Waren an der Müritz, Lalendorf, Plaaz und Laage (der Bahnhof Neustrelitz wurde schon 1877 von der Nordbahn im „großherzoglichen“ Stil gestaltet), dazu zahlreiche kleinere Haltestellen, zwischen Neustrelitz und Waren z. B. Kratzeburg, Klockow und Kargow. An Straßenübergängen standen die Wärterhäuser, wie man sie heute noch findet, mit Wohnungen für 2 Familien.

Von Neustrelitz aus führte die Trasse in Richtung Zierke und dann durch Flachmoore und Endmoränenlandschaft, teilweise parallel zum alten Postweg (heute auch alte Landstraße genannt) nach Kratzeburg. Auf dem Gebiet des Herzogtums Mecklenburg-Strelitz lagen nur 13,1 km Streckengleis, in Mecklenburg-Schwerin waren es 112,5 km. Die größte bautechnische Herausforderung war der Brückenbau über die Warnow, 4,5 km vor Rostock.

Im Jahr 1893 wurde die „Lloyd-Bahn“ verstaatlicht, die damalige Landesregierung übernahm die Aktien von der Deutsch-Nordischen Lloyd. Der Name „Lloyd-Bahn“ blieb aber als Bezeichnung weiter erhalten.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde im Zuge der Reparationsleistungen an die Sowjetunion die Strecke zwischen Neustrelitz und Plaaz bei Güstrow demontiert.  1960 erfolgte der erste Spatenstich für den Neubau der Eisenbahnstrecke von Neustrelitz nach Waren. Dafür wurde der Streckenverlauf allerdings nach Norden verlegt. So kann man heute noch den Verlauf des alten Gleisbettes im Forst zwischen Kratzeburg und Adamsdorf erkennen und nachempfinden, welche Mühen im 19. Jahrhundert unternommen werden mussten, um die Höhen- und Tiefen im Gelände auszugleichen.

Quellen
Fotos: Uta Matecki
Karte: Universität Rostock, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät, Projekt Virtuelles Kulturlandschaftslaboratorium, Kartenausschnitt aus Messtischblatt 1888.
Zum Weiterlesen: Schutz, L. 2010: Die Lloyd-Bahn Neustrelitz – Rostock – Warnemünde. Berlin.