Ziegeleien

Auf historischen Karten aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind zwischen Lieps und Havelquelle mindestens sieben Ziegeleien verzeichnet. Hier können Sie ehemalige Ziegeleistandorte kennen lernen:
Ziegelei Brustorf
Ziegelei bei Klein Vielen
Ziegeleien bei Prillwitz und Blumenhagen
Weitere Ziegeleien zwischen Lieps und Havelquelle

Ein kleiner Exkurs in die Geschichte der Ziegeleien bis Anfang des 20. Jahrhunderts
Ziegelsteine kamen mit den Römern nach Deutschland. „Doch wie vieles Römische wurden auch sie wieder vergessen. Erst im Mittelalter erreicht der Baubackstein und der Dachziegel endlich Norddeutschand und führt zur Entstehung eines einzigartigen Baustils – der Norddeutschen Backsteingotik“ (Saß 2002: 400). Verwendung fanden Ziegel allerdings zunächst vornehmlich beim Bau von Stadtmauern, Toren, Kirchen, Rathäusern oder Klöstern, da sie für „Normalsterbliche“ unerschwinglich waren (ebenda). Kenntnisse darüber, wie Ziegel gebrannt werden, gelangten „aus den Handelszentren Oberitaliens und der Lombardei durch Mönche nach Norddeutschland” (Borchert 1994: 75).
Im 16. bis 17. Jahrhundert wurden Ziegel günstiger, da mit Verordnungen auf bis dahin verbreitete Brände in Städten und Dörfern reagiert, die Errichtung von Ziegeldächern statt Strohdächern und der Bau von Steinhäusern gefordert und damit die Ziegelproduktion „angeheizt“ wurde. In Mecklenburg gab es zwar auch schon vor dem Dreißigjährigen Krieg solche Verordnungen, aber „erst die großen Feuersbrünste nach dem Dreißigjährigen Krieg bewirkten eine durchgreifende Änderung. Aus einer Statistik geht hervor, dass allein zwischen 1651 und 1799 noch über 70 Ortschaften in Mecklenburg niederbrannten, darunter einige mehrfach“ (Saß 2002: 400). Um der Brandgefahr zu begegnen, wurden nun vielerorts Feldziegeleien gebaut, in denen in der Regel bis zu fünf Arbeiter tätig waren, deren Arbeitszeit von der Jahreszeit und dem Wetter abhing. Drei- bis fünfmal im Jahr, manchmal häufiger, wurden jeweils bis zu 100000 Ziegel gebrannt, davon 20 bis 30 Prozent Dachziegel (Borchert 1994: 75 und 77). Die Nachfrage nach Ziegeln wurde auch durch eine zunehmende Holzknappheit befördert, die durch den hohen Brennholzverbrauch und das aufstrebende Glashütten-Handwerk verursacht wurde (Borchert & de Veer 2011: 15).

Feldbrandziegelei
„Die Ziegel wurden von Ziegelhandwerkern Stück für Stück von Hand gefertigt. Kein handgemachter Ziegel gleicht dem anderen. Diese Erzeugnisse heben sich daher grundsätzlich von den heutigen, industriell gefertigten, ab. Im Zuge der Christianisierung großer Teile Norddeutschlands und des darauf folgenden Bedarfs an Baumaterial für Kirchen, Klöster und erste Wehrbauten, übten die Ziegler ihr Gewerbe meist als Wanderarbeiter aus. Bis zur Anlage ortsfester Ziegeleien wurden die Backsteine im Feldbrandverfahren am Ort des Lehmabstichs hergestellt. Die Ziegler stapelten nach einem bestimmten Bauplan die getrockneten ‚Lehmkuchen‘ zu Öfen, unter Auslassung von Kanälen, die mit Kohle gefüllt wurden. Solche Feldbrandmeiler, deren Kuppeln mit Lehm verstrichen wurden, bestanden aus ca. 40 000 Backsteinen. Das Feuer fraß sich mehrere Tage lang von einem Schürgang aus von unten nach oben. Je nach Lage der Steine zur Mitte oder zum Rand hin waren sie härter oder weniger hart gebrannt und wurden so vom Maurer entweder für die Außenhaut eines Gebäudes oder für das innere Mauerwerk verwendet“ (Saß 2002: 400 f.).
Ein Feldbrandofen bestand nur so lange, bis das Rohstofflager erschöpft war. Der Standort einer Feldbrandziegelei ist aus historischen Karten zwar nahezu punktgenau ablesbar und wieder auffindbar, archäologische Spuren findet man allerdings selten, da für die Errichtung eines solchen Ofens nur die oberste Bodenschicht abgetragen und die Flächen später häufig beackert wurden.
Feldbrandöfen existierten in Mecklenburg bis in das 19. Jahrhundert hinein, mancherorts in Deutschland bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Die sie begleitenden Probleme und die Schwere der Arbeit  gehen aus Folgendem hervor:
„Die Ziegelei war ein saisonaler Nebenerwerbsbetrieb. Er bestand aus Gruben, die das Rohmaterial lieferten. Hinzu kamen scheunenartige Gebäude, die bisweilen nur aus auf Balken gestützten Bedachungen und dem Schachtofen bestanden. Der Ofen bestand lediglich aus vier Mauern, die mit Schürlöchern versehen waren. Als Brennstoff wurde Holz, Torf oder Kohle benutzt. Das Brennverfahren selbst hatte einige Mängel. So konnte mitunter nur ein Drittel der gebrannten Steine verwendet werden. Ein Drittel war stets durch Asche, Schlacken oder Schmolz (Überhitzung) unbrauchbar. Auch die restlichen Steine waren nicht immer einwandfrei. Innerhalb der Ofenanlage war die Temperatur uneinheitlich, so dass ungleiche Brände, die zu Mängeln führten, häufig waren. Auch starker Wind konnte einen ungleichmäßigen Brand hervorrufen. Der Brennstoffverbrauch war gewaltig. Er betrug pro 1000 Steine ca. 500 kg Kohle und war somit 3- bis 4-mal höher als beim späteren Ringofen.
Der Ton wurde im Herbst mit Hacken und Spaten abgegraben. Schubkarren dienten zur Tonförderung aus den Gruben. Das Material wurde in dünnen Lagen zum Verwittern (Mauken) ausgelegt. Der Ton musste mindestens ein halbes Jahr liegen, schieferhaltige Tone sogar mehrere Jahre. Für eine Million Steine war eine Verwitterungsfläche von einem halben Hektar erforderlich. Nach der Verwitterung kam das Material in ausgekleidete Gruben (Sümpfe), wo es mit Wasser vermischt und Beimengungen von Steinen und Wurzeln entfernt wurden. Zur Homogenisierung wurde das Material von Menschen oder Tieren gestampft. Der nasse Ton wurde auf Streichtischen von Hand in rechteckige Formrahmen gestrichen. Unter Schutzdächern oder im Freien blieben die geformten Steine 12 bis 14 Tage, oder auch länger, zur Trocknung liegen. Nach der Trocknung kamen sie in den Ofen“ (Wikipedia 2021 a).
Während der gesamten Brennphase, die ja nach Größe des Meilers zwischen zwei und sechs Wochen liegen konnte, bis sich das Feuer endlich bis zur Ofenkrone durchgefressen hatte, musste der Ziegelbrenner, ein erfahrener, meistens älterer Ziegler, das Feuer überwachen und den Ofenzug regulieren (GenWiki 2021, Internetquelle).
Die Form eines Feldbrandofens geht aus dem historischen Foto hervor (Quelle: Immenkamp 2001: 77).

Hoffmannscher Ringofen
1850 gab es in Mecklenburg-Schwerin 196 Ziegeleien, davon entfielen 42 auf die domanialen Ämter, 37 auf die Städte und 117 auf das ritterschaftliche Gebiet. 1895 wurde mit 236 Ziegeleien ein Höchststand erreicht, 1915 gab es dann nur noch 156 in Mecklenburg-Schwerin, ein Indiz für die aufkommende industrielle Fertigungsweise, die den Ziegeleien im ländlichen Raum Konkurrenz machte.
Im Gebiet zwischen Lieps und Havelquelle haben die Ziegeleien spätestens in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Betrieb eingestellt. 1880 entstand dann eine neue, dampfgetriebene Ziegelei in Brustorf bei Peckatel. Mit ihr zog in diesem Gebiet das Maschinenzeitalter in das Ziegeleiwesen ein.

Während des 19. Jahrhunderts wurden Feldbrandöfen mehr und mehr durch „gemauerte riesige Ringöfen mit ovalem Grundriss abgelöst“ (Saß 2002: 400), die „Hoffmannschen“ Ringöfen (Prinzipskizze siehe Abbildung), die nach dem königlichen Baumeister in Berlin, Friedrich Eduard Hoffmann (1818–1900), benannt waren, der 1859 zusammen mit Julius Albert Gottlieb Licht (1821–1898), Stadtbaurat von Danzig, „in Preußen und Österreich ein Patent zur ‚Erfindung eines ringförmigen Ofens zum ununterbrochenen Brennen aller Arten von Ziegeln, Tonwaren, Kalk, Gips und dergleichen‘“ angemeldet hatte (Wikipedia 2021 b, Internetquelle). Diese Öfen „wurden auch Ringöfen nach System Hoffmann-Licht genannt. Für das Patent wurde Hoffmann auf der Pariser Weltausstellung von 1867 mit einem ersten Preis (Grand Prix) ausgezeichnet. […] Das Patent wurde später aberkannt, nachdem nachgewiesen werden konnte, dass der Maurermeister [Carl Gottlieb] Arnold [1807–1877] aus Fürstenwalde bereits 1839 den Ringofen erfunden, aber kein Patent angemeldet hatte. 1873 wurde er für seine Erfindung Ehrenbürger von Fürstenwalde.
Der Ringofen revolutionierte die Ziegelindustrie des 19. Jahrhunderts. Der kontinuierliche Brand lieferte zum ersten Mal eine gleichbleibende Qualität der Ziegel, während das Ergebnis in den vorher üblichen Kammeröfen nach jedem Brand anders aussah. Außerdem brannten die Ringöfen erstmals ununterbrochen Tag und Nacht, was den Bedarf an Arbeitskräften sprunghaft anwachsen ließ, zugleich aber auch eine vorher nie gekannte Steigerung der Ziegelproduktion ermöglichte.
Seit 1859 änderte sich das Bild der Häuser von grau (Schilf- und Strohdach, Strauch-, Holz-, Lehmwände) zu rot (Dachpfannen, Ziegelhaus, weniger Feuergefahr). Ziegelrohre ermöglichten Kanalisation sowie unterirdische Drainage und Entwässerung von Feldern“ (Wikipedia 2021 b, Internetquelle).

Prinzipskizze und zugehöriger Text erläutern die Funktionsweise eines Hoffmannschen Ringofens (Wikimedia, Grafik: Frank von Marillac 2001).

In Mecklenburg-Schwerin wurde der erste Ofen dieser Art 1864 in der Ziegelei Blankenberg in Betrieb genommen (Borchert 1994: 79). Neben dem Ringofen zogen weitere technische Neuerungen ein wie die Verwendung von Maschinen zur Herstellung von Ziegeln, beides lohnte sich zunehmend nur in größeren Ziegelwerken.
Dem Konkurrenzdruck erliegend, wurden – siehe die Zahlen oben – in den nächsten Jahrzehnten zahlreiche kleinere Ziegeleien aufgegeben: „Gab es in ganz Mecklenburg 1925 noch 127 Ziegeleien, so sank ihre Zahl bis 1938 auf 54“ (Borchert 1994: 79).

Heute gibt es in Mecklenburg-Vorpommern keinen Ziegeleibetrieb mehr. Einen funktionsfähigen Ringofen können Gäste in Benzin, einem Ortsteil von Kritzow, zwischen Lübz und Plauer See gelegen, bestaunen (siehe Link).

In Deutschland sind nur wenige Ringöfen erhalten geblieben, die noch in Betrieb sind. Diese haben allerdings für die Denkmalpflege eine große Bedeutung.
Die Ziegelmanufaktur Glindow (bei Berlin), aus der auch die Ziegel für die Sanierung der Jahn-Kapelle in Klein Vielen stammen, beschreibt den Vorteil der Ringöfen wie folgt: „Die Stapeltechnik der Ziegel im Ofen führt dazu, dass sich die von Brenngasen frei zugänglichen Flächen der Ziegel intensiver verfärben als an den überlappenden Flächen. Aus diesen Gründen spielen die noch wenigen Ringofenziegeleien eine besondere Rolle in der Denkmalpflege. Sie können Ziegel unter fast originalen Bedingungen herstellen wie vor hunderten Jahren“ (Ziegelmanufaktur Glindow 2021, Internetquelle).

Die Ziegler aus vorindustrieller Zeit haben ihre Spuren hinterlassen. Ziegelhandwerker waren vor allem in strukturschwachen Regionen bis in die jüngste Gegenwart tätig. Sie stellten hauptsächlich Dachplatten, die sog. Biberschwänze, und Baubacksteine her und haben „einen Brauch zur Tradition werden lassen, der in erster Linie bei den Dachziegeln sichtbar wird, weil der Mauerziegel zumeist ‚unsichtbar‘ verbaut wurde oder die gestalteten Seiten nicht sichtbar waren. Der Ziegler drückte oder ritzte in den noch feuchten Lehm zu bestimmten Anlässen Texte oder bildliche Motive. Diese allgemein als ‚Feierabendstein‘ bezeichneten Objekte wurden zusammen mit den anderen zum Mauern oder Dachdecken verwendet. Obwohl so gut wie unbekannt, haben somit auch die Ziegler ihren Anteil am Brauchtum in Mecklenburg geleistet“ (Saß 2002: 400 f.).

Quellen
Sekundärquellen:
Borchert, F.-W. 1994: Ziegeleien und Ziegelhandwerk in Mecklenburg-Schwerin. Stier und Greif: Blätter zur Kultur- und Landesgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern 4: 74‒79.
Borchert, F. W. & de Veer, R. 2011: Die Entwicklung des Ziegeleiwesens in Mecklenburg. In: Borchert et al.: Ziegeleigeschichte(n) – ehemalige Ziegeleien an der Lehm- und Backsteinstraße.  Hrsg. von Technisches Denkmal Ziegelei Benzin e.V., Buchberg: 13-28.
Saß, F. 2002: Gestaltete Ziegel. In: Ernstling, F.; Saß, F.; Schulze, E. & Witzke, H. (Hg.): Mecklenburg-Strelitz – Beiträge zur Geschichte einer Region. Band 2. Friedland: 400–410.

Internetquellen:
GenWiki 2021: Ziegelei (Handwerk) – http://wiki-de.genealogy.net/Ziegelei_(Handwerk) (11.07.2021).
Wikipedia 2021 a: Feldbrandziegelei – https://de.wikipedia.org/wiki/Feldbrandziegelei (11.07.2021).
Wikipedia 2021 b: Hoffmannscher Ringofen – https://de.wikipedia.org/wiki/Hoffmannscher_Ringofen (11.07.2021).
Ziegelmanufaktur Glindow 2021: http://www.ziegelmanufaktur.com/Manufaktur/Ringofen/ (11.07.2021).

Abbildungen:
Hoffmannscher Ringofen: Wikimedia. Grafik: Frank von Marillac – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27602719 – http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de (letzter Zugriff: 10.07.2021).
Feldbrandofen: Immenkamp, A. 2001: Musumsführer Ziegelei Lage. Essen.