Die Granziner Wassermühle – und Bäckerei

Die Granziner Wassermühle wurde 1325 erstmalig urkundlich erwähnt.
Der damalige Betreiber der Wassermühle, Müller Lambert, gilt als der älteste namentlich bekannte Müller an der Havel. Auf dem Messtischblatt von 1888 ist zwischen Schulzensee und Pagelsee der Mühlenstandort verzeichnet.
1472 wird die Granziner Mühle dem Mirower Johanniterorden geschenkt. Diese Schenkung wird 1491 bestätigt.
Weitere Informationen gibt es erst seit dem 18. Jahrhundert.
Ab 1767 wurde das Mühlengebäude in Erbpacht gegeben. Die Mühlenpächter wechselten oft, wobei zwischen 1792 und 1831 häufig der Name Schröder auftaucht. So befindet sich die Mühle von 1792 bis 1795 in Erbpacht von Emanuel Christoph Schröder, ihm folgt für drei Jahre, von 1796 bis 1799, Erdmann Christoph Schröder. 1800 verpachtet Christian Ludwig Schröder die Mühle an einen Pächter namens Volkmann. 1805 betrieb ein Wilhelm Schröder neben der Wassermühle auch eine Windmühle auf der Höhe 83,3 ostnordöstlich der Wassermühle.
1817 wurde der Mahlgang um einen Schneidegang erweitert.
1831 verpachtet Schröder die Mühle an einen Müller namens Freiheit und 1836 kehrt sie wieder in den Besitz Wilhelm Schröders zurück.
1843 verkaufte Schröder sowohl die Wasser- als auch die Windmühle an Carl Segebrecht, und 1867 war ein Hennings auf Henningsfelde Erbpächter beider Mühlen. 1870 wechselte sie wieder den Besitzer, Otto Herse übernahm den Mühlenbetrieb.
1874 brannte die Granziner Mühle mit Wohnhaus, Mahlmühle, Radhaus und Schneidemühle ab. Durch Versicherungsgelder von der „Neubrandenburger Versicherungsimmobilar und Mobilarbrandkasse“ entstand eine neue Wassermühle mit Bäckerei. Der Auftrag für den Neubau wurde durch die Firma Otto Eichauer übernommen, die sich auf Mühlenbau spezialisiert hatte.
„Die Granziner Mühle war bis zum Jahre 1945 ein Bauernhof von ca. 50 ha mit Sägewerk (Wasserkraft), Wassermühle und Bäckerei, gelegen zwischen dem
Schulzensee und dem Pagelsee zu beiden Seiten der Havel im Landkreis Neustrelitz. Eingegrenzt wurde das Grundstück vom Ufer des Schulzensee, der Landstraße nach Babke, dem Ufer des Pagelsees und westlich der Havel von der Waldgrenze (siehe Karte [von 1888]). Zu beiden Seiten der Havel befanden sich Wiesen und Weiden, daran schlossen sich die Ackerflächen an.
Insgesamt bestand der Mühlenhof damals aus dem Haupthaus mit Bäckerei, Mühle und Sägewerk, zwei kombinierten Stall-Scheunen-Gebäuden und einem Wagenschuppen. Zusätzlich gab es ein kleines Wohnhaus mit Stall und zwei Baacken. Die Havel floss durch das Haupthaus und trieb mit Wasserkraft Mühle und Sägewerk an“ (R. Walther in Gemeinde Kratzeburg 2006: 26).
Das Foto aus einer Festzeitung der Gemeinde Kratzeburg zeigt das Wohnhaus, die Bäckerei und den eigentümlichen Lieferwagen ca. 1980.

1884 ging die Mühle an Herses Erben; die Familie verkaufte sie 1894 an Wilhelm Creuzfeldt. 1900 verpachten die Erben Creuzfeldts ihren Besitz an einen Glitzing. Familie Glitzing betrieb die Mühle bis 1945. 1945 heiratete die Enkelin Creuzfeldts in die Familie Glitzing ein.
Im August 1945 brannte das Gehöft mit Sägewerk, Wassermühle und Bäckerei nach Brandstiftung ab. Bis 1946 wurden das Wohnhaus und die Bäckerei notdürftig wiederaufgebaut.
1951 übernahm der Bäckermeister Willy Trettin die Pacht der Bäckerei als Kommissionär des Staates. Trettin kam mit seiner Familie, die sich in Granzin ansiedelte, aus Stettin-Altdamm.
Als „Granziner Bäcker“ belieferte der Bäckermeister zusammen mit seinen Kindern und seinem Bruder jeden Montag, Mittwoch und Samstag das Umland.
Täglich wurden ca. 500 Drei-Pfund-Brote gebacken und in den Holzfeuer-Ofen passten pro Backgang 100 Stück“ (Gemeinde Kratzeburg 2006: 27).
1953 wurde der Hof in den örtlichen Landwirtschaftsbetrieb (ÖLB) eingegliedert und später durch die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) bewirtschaftet. Ein Großteil der Flächen wurde Teil eines sowjetischen Truppenübungsplatzes. Die Familie Trettin wohnte weiterhin zur Miete bei der Granziner Mühle.
1967 verstarb Bäckermeister Willy Trettin. Seine damals 36-jährige Tochter Irmtraut Trettin übernahm mit Geschwistern die Bäckerei, um das Backhandwerk fortzuführen. Waldemar Dedelow aus Henningsfelde baute damals auch einen neuen Bäckerwagen, der zum Ausfahren der Brote diente. Kinder fuhren gern auf dem Bäckerwagen mit (siehe Foto).
Dreimal wöchentlich wurden die Dörfer Krienke, Granzin, Dalmsdorf, Kratzeburg, Pieverstorf und Dambeck beliefert. Dienstags und freitags wurden zusätzlich Babke und Blankenförde beliefert. Auch die sowjetischen Soldaten kauften Brot von der Granziner Bäckerin.
„Während der siebziger und achtziger Jahre wurden die Bestellungen in der Sommerzeit immer mehr. Bei den Urlaubern aus allen Teilen der ehemaligen DDR hat sich der gute Geschmack des Brotes aus Granzin herumgesprochen. Es wurden keine Zeit und keine Mühe (und auch kein Spritgeld) gescheut, sich das Brot zu holen. Selbst mitten in der Nacht klopfte es bei Trettins an der Tür, und dabei wurde auch gleich mal nach Butter, Eiern und Bier gefragt.
Ein Problem in dieser Zeit war manchmal die Nähe des Schießplatzes. Auch während größerer Übungen mussten die Orte jenseits davon versorgt werden. Also benutzte
der Bäcker die Schleichwege um die Postenhäuschen herum, um zu den Kunden hinter dem Übungsgelände zu kommen. Dann haben die Soldaten kurzfristig unterbrechen
müssen, weil der Bäcker plötzlich auftauchte.“ Der gute Geschmack rührte von der besonderen Backmischung, die Irmtraud Trettin „über viele Jahre jede Nacht ein paar Stunden Schlaf zu wenig“ bescherte (Gemeinde Kratzeburg 2006: 27).
1986 schloss Frau Trettin ihren Betrieb. Das Gebäude der Bäckerei war baufällig geworden und dann auch noch durch einen sowjetischen Panzer stark beschädigt. Da Baumaterial in der DDR knapp war, wurde das Gebäude abgetragen und andere Gebäude der Gemeinde Kratzeburg wurden mit Hilfe dieser Materialien repariert.
Die Nutzung des Truppenübungsplatzes bzw. Panzerschießplatzes wurde 1993 eingestellt. In demselben Jahr wurde der „Mühlenstau“ durch eine Fischtreppe ersetzt (siehe Foto), um die Durchgängigkeit der Havel an dieser Stelle zu gewährleisten. An der Straße zwischen Granzin und Krienke, dort, wo sie über die Havel führt, erinnert eine Informationstafel an die ehemalige Wassermühle.

[nach den Texten von Marie Abraham, Till Hendrik Berndt und Vanessa Götz im Projektbericht Mühlen, Hochschule Neubrandenburg 2021 und Festzeitung Gemeinde Kratzeburg 2006]

Quellen
Gemeinde Kratzeburg (Hrsg.) (2006): Festzeitung zur 750-Jahr-Feier Kratzeburgs 1256-2006. Kratzeburg: S. 26 f.
Havelquellreich: Infotafel zur Granziner Mühle vor Ort. Portal der Havelquellregion: URL: http://www.kratzeburg.de/land-leute/die-kleinen-doerfer/granzin [Zugriff: Dezember 2020].
Kreisarchiv Mecklenburgische Seenplatte: Unterlagen zur Geschichte Mecklenburg-Strelitzscher Gemeinden, speziell deren Landwirtschaft und Kultur. Neustrelitz.
Karbe-Wagner-Archiv Neustrelitz: Unterlagen zu Mühlen, insbesondere Papiermühlen, Papiermuster, Wassermühlen, Staatskalender & Notizen.
Müritz-Nationalpark: Infotafel zur Fischtreppe an der Granziner Mühle.

Karte und Fotos:
Kartenausschnitt Messtischblatt 1888: Universität Rostock, Projekt Virtuelles Kulturlandschaftslaboratorium (VKLandLab) – www.vklandlab.uni-Rostock.de.
Fotos Fischtreppe und Infotafel: Vanessa Götz 2021.
Fotos Wohnhaus, Bäckerei und Lieferwagen des Bäckers. ca. 1980 und Bäckerwagen mit Frauen und Kindern aus: Gemeinde Kratzeburg (Hrsg.) 2006: Festzeitung zur 750-Jahr-Feier Kratzeburgs 1256‒2006. Kratzeburg: S. 26 und 27.