An der Grenze zwischen zwei ehemaligen Großherzogtümern

Eine kleine Verwaltungsgeschichte

1701 kam es in Mecklenburg zu einer dritten Hauptlandesteilung, die zu zwei beschränkt autonomen Herzogtümern führte: das größere Mecklenburg-Schwerin und das kleinere Mecklenburg-Strelitz. 1815 wurden sie zu Großherzogtümern.
Die Gemarkungen der heutigen Gemeinden Klein Vielen und Hohenzieritz lagen sich über Jahrhunderte hinweg an der Grenze zwischen den beiden ehemaligen Großherzogtümern gegenüber, die bis 1918 existierten.
Die Gutsdörfer Klein Vielen und Peckatel gehörten dabei zum Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin. Südlich und östlich stießen ihre Gemarkungen an die Grenze zum ehemaligen Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz – das war der zweite mecklenburgische Staat.
Vergleicht man das Messtischblatt von 1882/84 (siehe Abb.) und ein aktuelles Luftbild, so ist die alte „Landesgrenze“ zwischen dem Kleinen Stadtsee südlich von Penzlin und dem Peutscher Forst bei Brustorf auch heute noch  vollständig im Landschaftsbild zu sehen und zwar exakt in ihrem historischen Verlauf.
Was heute als Band von Feldgehölzen erscheint, ist ein einzigartiges und sichtbares Zeugnis der Politik- und Verwaltungsgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns, ein Schatz, der bewahrt werden sollte.
Und auch „unter Wald“ liegen noch Zeugen der alten Grenze zwischen den beiden Großherzogtümern, wie Studierende der Hochschule Neubrandenburg herausfanden (siehe hier).

Die Großherzogtümer waren entsprechend dem Grundeigentum in drei politische Landesteile gegliedert:

  1. Das großherzogliche Domanium, das sich in Amtsbezirke bzw. Ämter unterteilte. Alle Ortschaften gehörten einem der Ämter an, so auch die Orte zwischen Lieps und Havelquelle. In Mecklenburg-Schwerin gab es 26 Ämter, in Mecklenburg-Strelitz vier Domanialämter sowie ein Kabinettsamt.
  2. Die Ritterschaft (entsprechend dem Amtsbezirk) fasste den ritterschaftlichen Grundbesitz zusammen, der sich aus adligen, später auch bürgerlichen Grundbesitzern zusammensetzte. In diesen Gebieten gab es keine Verwaltungsbehörden, lediglich die sogenannten ritterschaftlichen Ämter, die für die Erhebung der Hufensteuer verantwortlich waren.
  3. Die Landschaft, die Städte mit den zugehörigen städtischen Gütern umfasste, die sich selbst verwalteten.

Die nebenstehende Abbildung zeigt, zu welchen Ämtern die Orte zwischen Lieps und Havelquelle zwischen 1701 und 1939 gehörten. Die längste Zeit waren sie dem Ritterschaftlichen Amt Stavenhagen zugeordnet. Davon zeugt zum Beispiel noch ein erhalten gebliebener Grenzstein zwischen Liepen und Hartwigshof (Hartwigsdorf). Wann dieser gesetzt wurde, ist nicht bekannt.

Die Gemarkungen der Gemeinde Klein Vielen gehörten dann ab 1952 zum Landkreis Waren im Land Mecklenburg. Erst mit der Gebiets- und Verwaltungsreform 1952 wurden die historischen Zusammenhänge endgültig aufgelöst. Zuvor bereits, zwischen 1939 und 1945, war der Ort Liepen zu „Stargard“ und von 1946 bis 1952 zu „Strelitz“ zugeordnet worden, während die anderen zu Waren gehörten.
Ab 1952 und bis 1990 lag die 1960 gegründete Gemeinde nun im Kreis Neustrelitz im DDR-Bezirk Neubrandenburg. Zu diesem Kreis gehörte sie auch nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten und der Wiedergründung des (Bundes-)Landes Mecklenburg-Vorpommern und zwar bis 1994.
Mit der Gebiets- und Verwaltungsreform 1994 wurde die Gemeinde Klein Vielen Bestandteil des Landkreises Mecklenburg-Strelitz, der aus den Kreisen Neustrelitz, Neubrandenburg-Land und dem größten Teil des Kreises Strasburg entstand. Nach der vorerst letzten Gebiets- und Verwaltungsreform 2010 liegt sie mit Wirkung vom 4. September 2011 im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte.
Bis 1918 war die südliche bzw. östliche Gemeindegrenze auch die alte Grenze zwischen den ehemaligen Großherzogtümern. Im Osten bildet die ehemalige „Staatsgrenze“ heute die Grenze zur Gemeinde Hohenzieritz, im Südosten die zur Gemeinde Blumenholz und im Süden die zur Stadt Neustrelitz.
Im Norden liegt das Gemeindegebiet der Stadt Penzlin und im Westen das der Gemeinde Kratzeburg.
„An der Grenze“, das ist heute noch eine gebräuchliche Redewendung in den Gemeinden Hohenzieritz und Klein Vielen.

Quelle Karte:
Ausschnitt aus: Königlich-Preussische Landes-Aufnahme 1882, herausgegeben 1884. Nr. 1140 Hohenzieritz.