Wüstungen zwischen Lieps und Havelquelle

Zwischen Lieps und Havelquelle gibt es viele Dörfer, die im Verlauf des mittelalterlichen Landesausbaus bzw. der „Ostsiedlung“ seit ungefähr der Mitte des 12. Jahrhunderts gegründet wurden und von denen eine große Anzahl im Laufe der Zeit wieder untergegangen sind. Bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) fielen mehr Orte wüst als in Folge dieses Krieges.
Wenn in der Landschaft Zeugnisse noch nachweisbar sind, so meist unter Wald. Wo lange geackert wurde, sind sie meistens verschwunden, auch in Wäldern, die erst spät auf Ackerböden entstanden sind. Nur Urkunden und andere Archivalien lassen dort noch auf frühere Siedlungen und ihre Bewohnerinnen und Bewohner schließen.
Prof. Dr. Maik Stöckmann von der Hochschule Neubrandenburg befasst sich seit langem mit Wüstungen und hat vor kurzem seine (vorläufigen) Forschungsergebnisse für den Raum zwischen Müritz und Feldberg veröffentlicht. Er unterscheidet dabei zwischen „Totalwüstungen“ (in der Karte rot gekennzeichnet) und „Flurwüstungen“ (blau):
Bei einer „Flurwüstung“ sind mehr als 90 % der Landwirtschaftsfläche der ehemaligen Feldmark verloren gegangen oder die Flurstruktur ist stark verändert oder die Ortslage ist unbekannt. Eine „Totalwüstung“ ist eine Flurwüstung, deren Ortslage ebenfalls nicht erhalten ist (Stöckmann 2019: 131).
Auf der Grundlage dieser Arbeitsdefinitionen hat er die hier gezeigte Karte erstellt und kommt bislang zwischen Müritz und Feldberg insgesamt auf 96 untergegangene Orte und 16 verschwundene Fluren.
Stöckmann schreibt dazu: „Die Karte verdeutlicht, dass es in frühdeutscher Zeit keine ausgedehnten Wälder im Untersuchungsraum gegeben haben kann und der weitaus größte Teil des Landes landwirtschaftlich genutzt wurde. Einige Dörfer sind bislang von der Lokalforschung so gut wie gar nicht wahrgenommen worden; zum Beispiel Stobeck, dessen Feldmark in etwa dem heutigen Waldgebiet zwischen Zachow und Wanzka entspricht und für das sogar eine Gastwirtschaft überliefert ist, Bärwalde, im Dreieck zwischen Thurow, Carpin und Serrahn gelegen, für dessen Wassermühle bereits in frühdeutscher Zeit ein tiefer Graben zwischen dem Kleinen Serrahnsee und dem Kleinen Sumpfsee angelegt wurde, sowie Trendekop, das zwischen Penzlin und Werder lag. Jedenfalls wird die „Trendekop“-Mühle (die spätere Penzliner Stadtmühle) urkundlich erwähnt wie auch die Burg
„Trendekop“, die mit der heute als „Englischer Garten“ benannten, auf einer Halbinsel befindlichen Anlage identisch sein dürfte. Burg und Mühle lassen auf eine Siedlung schließen, und da die Gründungsurkunde der Stadt Penzlin das Gebiet zwischen vorgenannter Mühle und Burg einschloss, könnte das Dorf – analog zu anderen Stadtgründungen – gelegt worden sein. (Stöckmann 2019: 131 f.)
Auf den zugehörigen Seiten werden einige untergegangene Dörfer, Streusiedlungen und Einzelhöfe im Gebiet zwischen Lieps und Havelquelle vorgestellt:
Wüstung Jennyhof
Wüstung Peutsch
Wüstung Lerchenhof
Wüstung Christenhof
Wüstung Friederikenkrug
Das untergegangene Dorf Stribbow

Quelle:
Stöckmann, M. 2019: Historische Kulturlandschaftselemente als Zeugnisse des
Landschaftswandels am Beispiel von Orts- und Flurwüstungen zwischen Müritz und Feldberg. In: Behrens, H. & Hoffmann, J. (Hg.): Landschaft im Wandel. Erfassung – Bewertung – Wahrnehmung. Berlin: 123-142.
Zum Begriff Mittelalterlicher Landesausbau/Ostsiedlung siehe z.B. hier: https://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/begriffe/mittelalterlicher-landesausbau-ostsiedlung